Lindenau
Lebendiger Stadtteil im Leipziger Westen
Vor fast 1.000 Jahren wurde auch das sorbische Territorium des heutigen Freistaates Sachsen nach und nach von Deutschen besiedelt - "let s go East" (original Mittelalter "Nach Ostland wollen wir reiten, nach Ostland wollen wir mit") war damals das Motto auf der Suche nach neuem Lebens- und Siedlungsraum.
Das Dorf Lindenau entstand im Mittelalter. Westlich einer wasserreichen Auenlandschaft mit Fischgründen wurden am Rande eines Waldes Flächen für die Landwirtschaft gerodet. Auf einer Gemarkung von 558 ha (zum Vergleich: Plagwitz: 98 ha; Schleußig: 129 ha) entwickelte sich die Siedlung Lindenau mit etwa 30 Bauernhöfen, der Kirche, dem Rittergut und der Mühle zum einwohnerreichsten Dorf (1890) im Königreich Sachsen mit zahlreichen Handwerks- und Industriebetrieben.
Die Landgemeinde Lindenau wurde am 1. Januar 1891 mit mehr als 25.000 Einwohnern in die Stadt Leipzig eingemeindet. Bereits 20 Jahre später lebten mehr als 60.000 Einwohner im Stadtteil Lindenau. Seit 1992 existieren mit der verwaltungstechnischen Neugliederung und Benennung der Ortsteile 70, 71 und 72 drei Lindenauer Ortsteile (Alt-Lindenau, Lindenau und Neulindenau), die in den meisten Teilen der mittelalterlichen Lindenauer Flur entsprechen. Auch drei weitere Leipziger Ortsteile (51, 60, 73) enthalten Lindenauer Flurstücke.
Die Vielfalt des kulturellen Lebens im Stadtviertel entwickelt sich seit Jahren positiv, leerstehende Wohnhäuser und ehemalige Fabrikanlagen werden umgebaut, die Einwohnerzahlen steigen seit Jahren.
Die zahlreichen Kleingartenanlagen, der größte Teil des Karl-Heine-Kanals, der Lindenauer Hafen, die Museumsfeldbahn Leipzig-Lindenau, neuangelegte Fuß- und Radwege, die Wald- und Forstreviere Gottge und Verschlossenes Holz, die Flüsse Luppe, Nahle und Weiße Elster locken in die Lindenauer Natur.
Seit Jahren gilt in Lindenau, was eine zeitlang auch im Schaufenster des Ausbauhauses Merseburger Str. 88b zu lesen war: "Hier entsteht was Neues".
Flurgrenzen
Alt-Lindenau? Neu-Lindenau? Leutzsch, Lindenau oder Plagwitz?
Nicht nur im Süden von Lindenau, der häufig irrtümlich zum Stadtteil Plagwitz geschlagen wird, sondern auch im Norden ist vielen Anwohnern und Besuchern nicht immer bewusst, wo die alten Grenzen zwischen den heutigen Stadtteilen Lindenau und Leutzsch verlaufen. Die 1992 willkürlich neu geschaffenen Ortsteilgrenzen, die sich fast nie mit den historischen und noch immer gültigen Gemarkungsgrenzen der Leipziger Stadtteile decken, und die neuen Postleitzahlbezirke tun ihr übriges zur Verwirrung hinzu. So geschah es z.B., dass vier weitgehend geschlossene Wohnblöcke von der städtischen Wohnungs- und Baugesellschaft LWB unter dem Namen „Leutzscher Höfe“ vermarktet wurden, obwohl sie zu fast drei Vierteln in Lindenau liegen und damit und auch im Grundbuch von Lindenau eingetragen sind.
Gemarkungsgrenze/Stadtteilgrenze - am Beispiel von Leutzsch und Lindenau
Es ist für den aufmerksamen Beobachter gar nicht so schwer, die alte Flurgrenze zwischen den früheren Dörfern und heutigen Stadtteilen Lindenau und Leutzsch zu erkennen. An einigen Details im Stadtbild ist diese noch heute ablesbar. So fällt bei einem Blick auf den Stadtplan schnell auf, dass einige Parallelstraßen zur Georg-Schwarz-Straße nicht durchlaufen. Die Paul-Küstner-Straße bricht nach Norden plötzlich ab (und endet als Sackgasse) und die Rietschelstraße geht nur noch als Fußweg in Leutzsch weiter. Auf der anderen Seite, westlich der Georg-Schwarz-Straße, enden Pufendorfstraße und Rosenmüllerstraße nach jeweils zwei Häusern unmittelbar am Gelände des Diakonissenkrankenhauses. An der Georg-Schwarz-Straße selbst (vor Diako-Poliklinik-Gebäude und Ärztehaus) ändert(e) sich beim Fußweg auch die Breite der Bordsteinkante. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wechselt(e) zwischen den Hausnummern Georg-Schwarz-Straße 64 und 66 auch die Art des ursprünglichen Gehwegbelages: in Lindenau lagen großformatige Granitplatten, im Dorfe Leutzsch kleinteiliges Mosaiksteinpflaster. Von hier aus geht eine gedachte lange gerade Linie parallel zur Prießnitzstraße nach Südwesten bis an die Bahnüberführung Merseburger Straße durch. Diese Grenze zwischen dem Gelände des Diakonissenkrankenhauses und dem Friedhof Lindenau auf der einen und den Gründerzeithäusern, Gärten, Brachflächen und dem Industriegelände West auf der anderen Seite markiert exakt die alte Flurgrenze zwischen Lindenau und Leutzsch.
Nachtrag: An der Straßenbahn-Haltestelle am Diakonissenhaus ist die jahrhundertealte Gemarkungsgrenze, also die alte Dorfgrenze und heutige Stadtteilgrenze zwischen Leutzsch und Lindenau, auf den verlegten Granit-Fußwegplatten zwischen den Hausnummern 53 und 55 sowie 64 und 66 direkt und mit Beschriftung für "Leutzsch" und "Lindenau" ablesbar.
Verfolgt man diese Linie in die östliche Richtung, so ist sie im Inneren des Häuserblocks zwischen Klopstock- und Prießnitzstraße seit der Beseitigung der Hinterhofgebäude kaum mehr zu erkennen. Jedoch zeigt sich an der William-Zipperer-Straße zwischen den Hausnummern 77 und 79 und zwischen 82 und 84 genau der gleiche Wechsel beim Pflaster des Bürgersteiges und der Breite sowie – sehr auffällig auf der stadteinwärtigen Seite – der Länge der Bordsteinkanten. An der Ostseite der William-Zipperer-Straße zeugt auch die Art der offenen oder geschlossenen Bebauung von der Zugehörigkeit zu den Baugebieten verschiedener Gemeinden: freistehende, mit Gärten umgebene villenartige Wohnhäuser in Lindenau, Traufe an Traufe stehende Fronten von Mietshäusern in Leutzsch. Der nur als Schlippe angelegte Fußweg zwischen dem Ende der Lindenauer Paul-Küstner-Straße und der Rietschelstraße vor der Sporthalle und dem Hof der 172. Schule in Leutzsch ist Teil dieser alten Grenze.
Alte Karten zeigen nicht nur den genauen Grenzverlauf, sondern auch noch andere Details, die damit unmittelbar in Verbindung stehen. So hieß die heutige Prießnitzstraße bis zum 14. Dezember 1928 Grenzstraße. Manch ältere Leipziger können sich vielleicht noch an die Gaststätte „Zur Grenze“ erinnern, die dort stand.
Entsprechend der jahrhundertealten Flur- bzw. Gemarkungsgrenzen, die im 19. und 20. Jahrhundert lange Zeit auch Gemeindegrenzen waren, sind bis zum heutigen Tage alle Gebäude der heutigen Leipziger Stadtteile Lindenau und Leutzsch im Grundbuch von Lindenau oder im Grundbuch von Leutzsch eingetragen, nicht jedoch im Grundbuch der Stadt Leipzig. Auch die Grenzen der beiden evangelisch-lutherischen Kirchgemeinden, der Nathanelkirchgemeinde Lindenau und der St. Laurentiuskirchgemeinde Leutzsch, stimmen auch noch gegenwärtig mit diesem alten Grenzverlauf der einstigen Dorfgemeinden im Westen von Leipzig überein.
Selbst bei der Post hatte diese Grenze ihre Bedeutung. Das Briefzustellamt Leipzig W 33, später 7033 Leipzig, deckte früher den Stadtteil Lindenau komplett ab; das Briefzustellamt Leipzig W 35 war für Leutzsch zuständig.