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Lützner Straße 48

04177 Leipzig-Lindenau

Bildinhalt: Rasiermesser auf einem ledernen Streichriemen.  Foto: Frank Schulenburg, CC BY-SA 3.0
Rasiermesser auf einem ledernen Streichriemen. Foto: Frank Schulenburg, CC BY-SA 3.0

Geschichte

Hier war ein Friseurgeschäft.

1933, 1943
Friseurmeister Alwin Haß

1947
Herrenfriseur Alwin Haß
Leipzig W 33
Lützner Straße 48

1950
Hier, in der Lützner Straße 48, wohnte der Arbeiter Horst Henning, geb. am 23.10.1930 in Leipzig-Lindenau. Er wurde am 16. März 1950 von der sowjetischen Besatzungsmacht inhaftiert und am 7. Juli 1950 von einem Sowjetischen Militärtribunal (SMT) nach dem Strafgesetzbuch Rußlands zu 25 Jahren Haft ("Freiheitsentzug im Besserungs- und Arbeitslager") verurteilt.
Am 18. Oktober 1991 wurde Horst Henning gemäß des Gesetzes "Über die Rehabilitierung der Opfer politischer Repressionen" rehabilitiert.

Quellen/Literatur/Weblinks:
- Leipziger Adreß-Buch 1933
- Adreßbuch der Reichsmessestadt Leipzig mit Markkleeberg, Böhlitz-Ehrenberg, Engelsdorf, Mölkau 1943
- Leipziger Handwerk. Amtliches Firmen- und Bezugsquellen-Verzeichnis. Verkehrsamt der Stadt Leipzig 1947
- Leipziger Adressbuch 1949
- Dokumentationsstelle Dresden: Datenbank rehabilitierte Verurteilte
www.stsg.de
- Sammlung Lindenauer Stadtteilverein e. V.

Bildinhalt: Rasiermesser mit Rasierschale und Dachshaarpinsel. Foto: Frank Schulenburg, CC BY-SA 3.0
Rasiermesser mit Rasierschale und Dachshaarpinsel. Foto: Frank Schulenburg, CC BY-SA 3.0
 

Rentner Lothar K. erinnerte sich an seine Kindheit in der Lützner Straße 86:

Beim Friseur in der Lützner Straße 48

Wenn meine Eltern es für notwendig erachteten, dass ich mal wieder zum Friseur müsste, um nicht wie ein Landstreicher auszusehen, gab es keine Widerrede. Mit dem passenden Geldbetrag für den Rundschnitt trabte ich los, „meine Straße“ hinunter bis kurz nach Querung der Odermannstraße. Im Erdgeschoß der Lützner Straße 48 befand sich das kleine Friseurgeschäft, das in meinen Kindheitstagen allgegenwärtig war.
Über zwei Stufen hinauf, die Tür geöffnet und ich stand im Laden mit Blick zur linken Seite, wo die in weiß Gehüllten in ihrem Friseursessel saßen. Zumeist sah ich, so meine kindliche Einschätzung, nur alte Männer hier. Auf der rechten Seite suchte ich mir einen freien Platz und das Warten begann. Um mir die Zeit zu vertreiben, beobachtete ich genau, was um mich herum so passierte.
Viele der Herren ließen sich vom Meister der flotten Schere nicht nur den meist schon recht schütteren Haarwuchs noch mehr auslichten, nein, sie ließen sich auch noch den Bart oder ihre „Federnzucht abschlagen“. Dazu benötigte der Meister eine Schale zum Anrühren, so dass er zum richtigen Schaumschläger avancierte. Nun griff er sich einen großen Pinsel und klatschte das Zeug mit Schwung auf die bereitwillig hingehaltenen Gesichter der Kunden. Als Kind musste ich innerlich feixen, als ich die Antlitze der Eingeseiften sah. Mit so einem „halben weißen Bart“ wird es nichts mit einem richtigen Weihnachtsmann. Jetzt nahm sich der Fachmann aus seiner „Werkzeugkiste“ ein Rasiermesser und begann es an einem neben dem Spiegel hängenden Lederriemen in atemberaubender Geschwindigkeit hin und her zu wetzen. Geübt ist geübt. Dann beugte er sich über sein „Opfer“ und begann es Schritt für Schritt oder vielleicht Schnitt für Schnitt von seinem Bartwuchs zu befreien. Bei jedem Schnitt wischte der Friseur vom Messer Schaum und Bartstoppeln ab. War das Werk vollbracht, glänzte das Gesicht des nun Bartlosen wie ein Kinderpopo. Hin und wieder kam es doch einmal vor, dass der Meister einen Kunden schnitt und etwas Blut tropfte. Dagegen hatte er aber immer etwas griffbereit liegen, z.B. einen Alaunstift.
Manchmal kam es vor, währenddessen ich wartete, dass ein Kunde später nach mir erschien, aber eher zum Zuge kam. Tja, das war das Schicksal der Kinder damals. Endlich war ich an der Reihe. Flink erklomm ich den Sessel, bekam das weiße Laken umgeworfen und vernahm den Befehl, ruhig zu sitzen. Ich gehorchte. Der Meister drehte meinen Kopf ständig so in Position, dass seine gefräßige Schere auch jedes Haar erfasste und kürzte. Am Ende fuhrwerkte er mir noch mit einem elektrischen Rasierer im Nacken herum und fertig. Keine zehn Minuten dauerte die Prozedur, bis ich wieder „runderneuert“ war. Brav bezahlte ich meine empfangene Leistung an der Kasse. Das war ein großer metallener Kasten mit einer Kurbel an der Seite, die der Meister drehte. Mit einem akustischen Signal öffnete sich das Geldfach. Meine Münzen verschwanden darin und er schob das Fach krachend zurück in das Kassengerät.
Ich verließ das Friseurgeschäft und ging auf „meiner Straße“ zurück nach Hause. Wehte der Wind stärker, merkte ich schon, dass da oben etwas fehlte. Entrüstet dachte ich in meiner kindlichen Logik, dass es eigentlich ungerecht ist, dass der Friseur meine Haare abschneidet, mir also etwas wegnimmt und dafür auch noch bezahlt werden muss. Na ja, dann bis zum nächsten Mal und nicht zu kurz.


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